Modernisierung und Ausbau der eID.li

Seit Donnerstag, 20. Februar 2025, steht die modernisierte eID.li-App in den Apple- und Google-App-Stores zum Download bereit. Wichtiger Hinweis: Mit der neuen eID.li-Version wird die Biometrie-Funktion (Face-ID und Fingerprint) in der bisherigen App deaktiviert. Nutzer müssen auf die neue Version aktualisieren und nach dem ersten Start der neuen eID.li in den Einstellungen die Biomentrie wieder aktivieren!

Der Blog zum Thema EU-Digitalisierungsrechtsakte 

Warum sind die EU-Digitalisierungsrechtsakte für

Liechtenstein relevant?


Liechtenstein ist nicht Teil der EU und doch müssen sich etwa unsere Unternehmen in vielen Bereichen an die Regeln der EU halten. Wie kommt das?

Weil Liechtenstein Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist. Das ist verkürzt gesagt eine Erweiterung des EU-Binnenmarktes um weitere drei Staaten: Norwegen, Island und eben Liechtenstein.

Die Schweiz ist zwar Teil der Europäischen Freihandelszone (EFTA), aber nicht Mitglied im EWR. Sie hat damit keinen direkten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Liechtenstein hingegen schon. Liechtensteinische Unternehmen und Bürger können sich frei im EU-Binnenmarkt bewegen und dort wirtschaften. Der Schlüssel dazu ist die EWR-Mitgliedschaft.

Um diese Rechte aus der EWR-Mitgliedschaft in Anspruch nehmen zu können, hat sich Liechtenstein verpflichtet, die binnenmarktrelevanten Rechtsakte der EU zu übernehmen und damit in Liechtenstein die gleichen rechtlichen Bedingungen wie in den EU-Mitgliedstaaten herzustellen.

Aber wie kommen diese EU-Rechtsakte nun in den EWR?

Die sogenannte Übernahme von EU-Rechtsakten ist ein recht technischer und völkerrechtlich geprägter Vorgang. Er startet formell, wenn die EU einen neuen Rechtsakt erlässt, nehmen wir hier die Verordnung über Künstliche Intelligenz (KI-VO) als Beispiel. Mit Unterstützung des EFTA-Sekretariats in Brüssel prüfen die nationalen Experten in Island, Norwegen und Liechtenstein den Rechtsakt inhaltlich und im Hinblick auf die nationale Rechtsordnung.

Sie untersuchen zum einen, ob der Rechtsakt im Anwendungsbereich des EWR liegt – man nennt das «EWR-Relevanz». Nur Rechtsakte, die sich auf den Binnenmarkt auswirken, sind EWR-relevant. Bei der KI-VO war das nicht wirklich strittig. Richtlinien oder Verordnungen, die aber beispielsweise die Europäische Währungsunion, die EU-Aussenpolitik oder das Asyl- und Migrationswesen betreffen, sind für Liechtenstein nicht zu übernehmen. Zum anderen wird evaluiert, ob es Verpflichtungen aus dem Rechtsakt gibt, die mit der nationalen Rechtslage oder der Struktur des EWR-Abkommens kollidieren. Im Finanzmarktrecht kann dies etwa der Fall sein, wenn Zuständigkeiten der nationalen Zentralbanken festgelegt werden – Liechtenstein hat eine solche jedoch nicht; oder wenn Aufsichtstätigkeiten direkt für die Europäischen Kommission vorgesehen sind. Hier müssen im Rahmen des EWR-Übernahmeprozesses spezielle Lösungen verhandelt werden.

Das Ergebnis der nationalen Prüfung wird an das EFTA-Sekretariat weitergeleitet. Dieses entwirft dann einen Vorschlag für einen Übernahmebeschluss, den so genannten «JCD» («Joint Committee Decision»). Dort wird niedergeschrieben, welche Ausnahmebestimmungen für die EWR/EFTA-Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein) erforderlich sind, ob etwaige Übergangsfristen angepasst oder Bestimmungen in Bezug auf Drittstaaten überarbeitet werden. Dieser Vorschlag wird dann wieder mit den nationalen Experten und Ministerien abgestimmt. Das kann oftmals länger dauern, bis alle drei EWR/EFTA-Staaten sich auf eine Version geeinigt haben, denn gegenüber der EU sprechen die EWR/EFTA-Staaten nur mit einer Stimme.

Steht der Vorschlag der EWR/EFTA-Staaten, wird er an die EU zur Begutachtung und Stellungnahme übermittelt. Hier kann es durchaus zu Anpassungen kommen, etwa weil die EU eine vorgeschlagene Ausnahme nicht akzeptiert oder andere Vorstellungen für Sonderregelungen hat. Dies muss dann wieder mit den einzelnen EWR/EFTA-Staaten akkordiert werden.

Sind sich dann endlich alle einig, wird in einem speziellen Gremium, dem «Gemeinsamen EWR-Ausschuss», an dem sowohl Liechtenstein, Norwegen und Island, als auch die Europäische Kommission teilnehmen, der Übernahmebeschluss angenommen. Damit ist zwar aus rein völkerrechtlicher Perspektive die Übernahme erfolgt, jetzt müssen gegebenenfalls aber nochmals die nationalen Parlamente diesen völkerrechtlichen Beschluss, den JCD, genehmigen. Das nennt man das 103er-Verfahren – nach Art. 103 des EWR-Abkommens, der das Inkrafttreten des JCD regelt.

Wann das in Liechtenstein der Fall ist, hat der Staatsgerichtshof (StGH) in einem Grundsatzurteil im Jahre 1995 entschieden. Nach Ansicht des StGH liegen verfassungsrechtliche Anforderungen zur Genehmigung eines JCD vor allem dann vor, wenn die in Frage stehenden EU-Rechtsakte eine Änderung des nationalen Rechts erfordern oder gravierende finanzielle Auswirkungen für Liechtenstein mit sich bringen. Dann muss der Landtag den sog. 103er-BuA genehmigen.

Der EU-Rechtsakt ist erst dann Teil des EWR-Rechts, wenn alle drei EWR/EFTA-Staaten dieses nationale Genehmigungsverfahren durchlaufen und dem EFTA-Sekretariat «die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Anforderungen» gemeldet haben. Der EU-Rechtsakt wird dann im Anhang zum EWR-Abkommen aufgenommen und gilt damit als EWR-Recht in den EWR/EFTA-Staaten.

Was bedeutet es nun national, wenn ein Rechtsakt in den EWR übernommen wurde?

Die Antwort findet sich in Art. 7 des EWR-Abkommens, wo festgehalten wird, dass die Rechtsakte, die übernommen wurden, für die EWR/EFTA-Staaten verbindlich und Teil des nationalen Rechts sind. Konkret heisst das in Liechtenstein, dass ab dem Zeitpunkt der Übernahme EU-Verordnungen, wie beispielsweise die KI-VO, direkt in Liechtenstein anwendbar sind – genauso wie in den EU-Mitgliedstaaten. Unternehmen und Private sind damit direkt an die Verpflichtungen der Verordnung gebunden. Bei der KI-VO müssen etwa die Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen gewisse Risikomanagement- und Dokumentationspflichten, die in der KI-VO direkt niedergeschrieben sind, erfüllen. Demgegenüber können sich Unternehmen und Private aber auch vor nationalen Amtsstellen unmittelbar auf Rechte aus der jeweiligen Verordnung berufen und Ansprüche daraus geltend machen, zB Beschwerde- oder Auskunftsrechte.

Im Gegensatz zu Verordnungen müssen Richtlinien – wieder gleich der Systematik in der EU – in das nationale Recht umgesetzt werden; also die Vorgaben der Richtlinie in einem nationalen Gesetz durch den liechtensteinischen Gesetzgeber erlassen werden. Unternehmen und Private können sich daher nicht direkt auf den EWR-Rechtsakt berufen, sondern auf das nationale Gesetz.

 

Kurzum: Der EWR bietet Liechtenstein den Zugang zum EU-Binnenmarkt und ermöglicht den liechtensteinischen Unternehmen und Bürgern das freie Wirtschaften und Verkehren in der EU. Dafür muss Liechtenstein binnenmarktrelevante EU-Rechtsakte in einem formellen Verfahren, dem EWR-Übernahmeverfahren, in das EWR-Abkommen übernehmen. Dies geschieht zusammen mit Island und Norwegen. Ist die einzelne EU-Verordnung in das EWR-Abkommen übernommen, gilt sie wie nationales Recht in den EWR/EFTA-Staaten und die Unternehmen und Bürger sind direkt daran gebunden bzw. können Rechtsansprüche direkt auf diese Grundlage stützen. EU-Richtlinien werden in liechtensteinisches Recht umgesetzt.

 

 

Legende:

BuA (Bericht und Antrag der Regierung): Vorschlag der Regierung an den Landtag über ein neues Gesetz oder eine Gesetzesanpassung

EWR (Europäischer Wirtschaftsraum): der EU-Binnenraum der 27 EU-Mitgliedstaaten plus die drei EWR/EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen

EFTA (Europäische Freihandelszone): zwischen den Mitgliedstaaten der Freihandelszone herrscht freier Handel und die Waren können frei zirkulieren, die Aussenzölle bestimmt (im Gegensatz zu einer Zollunion) jeder Mitgliedstaat für sich; Mitglieder der EFTA sind Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz

EWR/EFTA-Staaten: Island, Liechtenstein und Norwegen, die allesamt über das EWR-Abkommen mit dem EU-Binnenmarkt verbunden sind

JCD (Joint Committee Decision): Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschuss, mit dem ein EU-Rechtsakt formal in das EWR-Abkommen übernommen wird

 

Für mehr Informationen zum EWR und dem EWR-Übernahme siehe die Homepage der Stabsstelle EWR (SEWR)
Nähere Informationen zum Thema finden Sie direkt hier

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