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Bilaterale Beziehungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz

Liechtenstein und die Schweiz verbinden enge sowie freundschaftliche Beziehungen. Über 100 bilaterale Verträge und Abkommen zwischen Liechtenstein und der Schweiz, die auf Staats- oder auch Kantonalebene abgeschlossen wurden, zeugen davon. Die Vereinbarungen betreffen die unterschiedlichsten Bereiche und regeln z. B. den Güter-, Personen- und Strassenverkehr, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die Kooperation im Gesundheitssektor, in Bezug auf die soziale Sicherheit, die Bildung oder die Landwirtschaft, den Schutz geistiger Eigentumsrechte sowie die indirekten Steuern und Abgaben.

Der Zollvertrag ist von besonderer Bedeutung für Liechtenstein.  Er legte den Grundstein für die heutige Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbarstaaten in praktisch allen Lebensbereichen. Ebenfalls von grosser Bedeutung ist der Währungsvertrag, der die Anwendung des Schweizer Frankens als staatliches Zahlungsmittel in Liechtenstein regelt.

Im März 2000 erfolgte die erstmalige Akkreditierung eines Schweizer Botschafters für Liechtenstein, mit Sitz in Bern (siehe auch Schweizer Botschaft in Liechtenstein). Die Leitungsfunktion der für Liechtenstein zuständige Schweizer Botschaft übernahmen seitdem die folgenden Personen: 

  • Herr Botschafter Kurt Höchner (2000–2003) 
  • Herr Botschafter Paul Seger (2003–2010) 
  • Frau Botschafterin Rita Adam (2010–2014) 
  • Frau Botschafterin Florence Tinguely Mattli (2014–2015) 
  • Herr Botschafter Olaf Kjelsen (2015–2018) 
  • Herr Botschafter Pietro Piffaretti (2018–2022) 
  • Frau Botschafterin Sonja Hürlimann (2022 bis heute) 

Zollvertrag

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges (1914–1918) trafen aufgrund der durch den österreichisch-liechtensteinischen Zollvertrag von 1852 bestehenden engen Verbindungen zu Österreich auch Liechtenstein. In Liechtenstein fehlte es am Nötigsten, und der Schweizer Franken ersetzte im Alltag immer mehr die österreichische Währung, die zunehmend an Wert verlor. Im Sommer 1919 entschieden die Regierung und der Landtag, sich von Österreich zu lösen und neu der Schweiz zuzuwenden. Kurze Zeit nach der Kündigung des Vertrags mit Österreich übernahm die Schweiz auf Ersuchen der liechtensteinischen Regierung im Oktober 1919 durch ihre Botschaften und Konsulate die Wahrung der Interessen Liechtensteins und der liechtensteinischen Staatsangehörigen im Ausland.

Der schweizerisch-liechtensteinische Zollanschlussvertrag (nachstehend Zollvertrag) wurde am 29. März 1923 unterzeichnet und trat am 1. Januar 1924 in Kraft. Er legte den Grundstein für einen neuen Zeitabschnitt in der wirtschaftlichen Entwicklung Liechtensteins, die ihren Erfolg u. a. auch der sich immer enger werdenden Zusammenarbeit mit der Schweiz verdankt. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens sind Liechtenstein und die Schweiz in einem einheitlichen Zoll- sowie Wirtschaftsraum miteinander verbunden, und Liechtenstein übernimmt die schweizerischen Gesetze in Zusammenhang mit dem Zollvertrag. Gleichzeitig wurde Liechtenstein über die schweizerische Aussenhandelspolitik in die Weltwirtschaft eingebunden. Die Schweiz ist ermächtigt, Liechtenstein bei derartigen Verhandlungen zu vertreten, und die von der Schweiz mit Drittstaaten abgeschlossenen Handels- und Zollverträge finden auch auf Liechtenstein Anwendung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand in Liechtenstein ein entscheidender Strukturwandel statt, der mit einem beachtlichen Wirtschaftswachstum einherging. Liechtenstein nutzte seine durch den Zollvertrag gegebenen wirtschaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten. Die Industrie spezialisierte sich zunehmend auf technologische Nischenprodukte und rekrutierte hochqualifizierte Arbeitskräfte in erster Linie aus der Schweiz.

In den 70er- und 80er-Jahren wuchs in Liechtenstein das Bedürfnis, sich eigenständiger in Europa integrieren zu können. Ein wichtiger Grund dafür war der Wunsch Liechtensteins, seine Souveränität stärker abzusichern. Mit der Änderung des Zollvertrags im November 1990 war es Liechtenstein möglich, selbständig Vertragsstaat internationaler Übereinkommen oder Mitgliedstaat internationaler Organisationen zu werden, die Zollvertragsmaterie betreffen, sofern die Schweiz diesen ebenfalls angehört. Damit war der Weg für eine eigenständige Aussenwirtschaftspolitik geebnet, und Liechtenstein trat 1991 der EFTA als vollwertiges sowie gleichberechtigtes Mitglied bei.

Als 1992 die Schweiz den EWR-Beitritt ablehnte, Liechtenstein diesem aber zustimmte, stellte sich die Herausforderung wie Liechtenstein gleichzeitig die vertraglichen Verpflichtungen zweier Wirtschaftsräume, die des EWR und der Zollunion mit der Schweiz, erfüllen kann, ohne dabei eines der Vertragswerke zu verletzen. Eine Lösung wurde mit der sogenannten „parallelen Verkehrsfähigkeit“ gefunden. Eine weitere Ergänzung des Zollvertrags im Jahr 1995 räumte Liechtenstein das Recht ein, im Bereich der Aussenwirtschaft auch ohne die Schweiz Übereinkommen abzuschliessen oder Organisationen beizutreten, sofern dafür eine besondere Vereinbarung zwischen den beiden Ländern besteht. Dies erlaubte es Liechtenstein, am 1. Mai 1995 Vertragsstaat des EWR-Abkommens zu werden.

Durch den Abschluss des Zollvertrags mit der Schweiz 1923 erreichte Liechtenstein seine damaligen wirtschaftspolitischen Ziele. Es entging der drohenden zollpolitischen sowie ökonomischen Isolation und erhielt Zugang zum Wirtschaftsraum der Schweiz sowie zu allen anderen der Schweiz offenstehenden Märkten. Liechtenstein konnte sich vom Agrar- zum Industrie- und Dienstleistungsstaat entwickeln. Der Zollvertrag brachte auch die notwendigen Finanzen, die für den Ausbau der Infrastruktur erforderlich waren, und er gewährleistete Rechtssicherheit. Ausserdem trug das staatsvertragliche Verhältnis zu einer weitgehenden wirtschafts- und sozialrechtlichen Harmonisierung mit der Schweiz bei. Nicht zuletzt aufgrund der Lösungsbereitschaft der Schweiz konnte Liechtenstein seit dem EWR-Beitritt gleichzeitig zwei Wirtschaftsräumen angehören, ohne dass die enge und gute Partnerschaft mit der Schweiz dadurch beeinträchtigt worden wäre.

Mit dem Zollvertrag wurde der Grundstein für eine sowohl regionale wie auch überregionale, vielfältige und institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbarländern gelegt. Die Schweiz und Liechtenstein sind sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich nähergekommen. 

Währungsvertrag

1980 schlossen Liechtenstein und die Schweiz einen Währungsvertrag ab. Mit diesem wurde Liechtenstein, das seit 1921 den Schweizer Franken als gesetzliche Währung benutzt - unter grundsätzlicher Wahrung seiner Währungshoheit in das Währungsgebiet der Schweiz eingebunden wurde. Die schweizerischen Bestimmungen über die Geld-, Kredit- und Währungspolitik im Sinne des Nationalbankgesetzes sind seitdem auch in Liechtenstein anwendbar.

Patentschutzvertrag

Über den Patentschutzvertrag aus dem Jahr 1978 bilden die beiden Staaten ein gemeinsames Gebiet im Bereich des Schutzes von Erfindungspatenten. In diesem gilt das schweizerische Patentrecht. Die Einheitlichkeit des Patentschutzes besteht auch in Bezug auf europäische Patente und internationale Patentanmeldungen – Liechtenstein und die Schweiz können diesbezüglich nur gemeinsam benannt werden. Ausserdem ist Liechtenstein verpflichtet, bestimmten internationalen Abkommen, die den Patentschutz betreffen, in gleicher Weise wie die Schweiz anzugehören, und die Schweiz schliesst Verträge mit Drittstaaten auch für Liechtenstein ab.

Internationale Kontakte über Bern

Die liechtensteinische Botschaft in Bern fungiert ebenfalls als Kommunikationsdrehscheibe. So läuft der Grossteil der offiziellen Korrespondenz mit über 80 Staaten mit direkten diplomatischen Beziehungen zu Liechtenstein über Bern ab, da die in Liechtenstein akkreditierten Botschafterinnen und Botschafter dieser Länder dort residieren. Die Pflege des Kontakts zu diesen Botschaften hat primär das Ziel, die Staaten über die laufenden Entwicklungen in Liechtenstein zu informieren und auch offene Fragen mit einzelnen dieser Staaten zu klären oder bei gegenseitigen Besuchen auf Ministerebene unterstützend mitzuwirken.

Geschichte der Botschaft

1919 errichtete Liechtenstein eine Gesandtschaft in Bern, deren Geschäftsträger Herr Emil Beck war. Aus finanziellen Gründen wurde diese 1933 geschlossen. 1944 wurde sie wieder eröffnet und 25 Jahre danach wurde daraus eine Botschaft. Geleitet wurde die Gesandtschaft bzw. Botschaft seit 1944 von den folgenden Personen: 

  • S. D. Botschafter Prinz Heinrich von und zu Liechtenstein (1944–1989) 
  • S. D. Botschafter Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein (1989–1996) 
  • S. D. Botschafter Prinz Wolfgang von und zu Liechtenstein (1996–2001) 
  • S. D. Botschafter Prinz Stefan von und zu Liechtenstein (2001–2007) 
  • Herr Botschafter Dr. Hubert Büchel (2007–2013) 
  • Frau Botschafterin Dr. Doris Frick (2013 bis heute) 

Gebäude

Die erste Botschaft in Bern befand sich in der Gerechtigkeitsgasse. 1972 erwarb das Fürstentum Liechtenstein die Liegenschaft am Willadingweg, und die Kanzlei wie auch die Residenz befinden sich seither dort. Von Mai 2001 bis Mai 2002 wurde das Gebäude renoviert und erweitert.

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